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Kommandos

 

 

Kommandos – lasst euch das Wort einmal auf der Zunge zergehen! Grauenvoll, nicht wahr? Noch schlimmer ist, was sie damit meinen:
Wir Hunde sollen ein paar willkürlichen Lauten folgen, sofort alles Wichtige sein lassen und uns in starre Verrenkungen oder stupide Handlungen begeben, die wir vorher stundenlang unter Futterhypnose einstudierten. Artgenossen haben mir erzählt, bei ihnen muss sogar die Haltung stimmen, wenn der Befehl kommt. Platz zum Beispiel, heißt bei vielen Bauch einziehen, sofort hinlegen, Pfoten dicht an den Körper und möglichst nicht atmen. Das Ganze solange halten, bis der nächste Befehl folgt.
Also bei mir heißt Platz glücklicherweise etwas anderes: Erst einmal taub stellen, nachfragen, ob wirklich Platz gemeint ist, schnell eine Runde beiläufig schnüffeln, ein süßer Hundeblick und wenn es dann noch wichtig ist und alle ernst schauen, setze ich mich vorerst. Wird nachgefasst, lege ich mich schließlich hin, allerdings nicht in Pickelhaubenhaltung und natürlich stehe ich sofort auf, wenn ich der Meinung bin, es reicht jetzt.
Ihr kennt ja alle die tragischen Fälle nicht aufgelöster Kommandos, bei denen die armen Hunde Ewigkeiten verharrten, ja sogar vergessen wurden in ihren Verrenkungen. Die Ängstlichen unter uns verunsichert das, dürfen sie doch bis zur Auflösung nichts anderes tun, sonst gibt es Donnerwetter oder kein Leckerli.


Für mich ist das mit der Belohnung irrelevant. Ich bin nicht sonderlich verfressen, nur im Wirtshaus oder wenn es Braten gibt.
Als ich klein war, hat man es mit mir versucht, dieses Konditionieren mit Futter. Aber draußen ist es so unglaublich, dass es einfach nicht geklappt hat: Alles riecht anders, es ist laut, fremde Hunde laufen vorbei und dann noch die ganzen Aufgaben, die ich habe! Vollkommen irre Radfahrer und Jogger müssen aufgehalten und Kinder zur Räson gebracht werden. Wen wunderte es, dass ich mich weder konzentrieren noch fressen konnte? Herrli und Frauli kommen erwiesenermaßen auch draußen allein zurecht, um die muss ich mich also nicht andauernd kümmern. Da reicht es doch, wenn wir uns bei Gefahr absprechen! Zu Hause habe ich die beiden eh den ganzen Tag. Warum ich also mit gespitzten Ohren an ihren Lippen kleben sollte, habe ich echt nicht verstanden.
Diese ewigen Wiederholungen mit den langweiligen Leckerlis waren so öde gegen die ganze Zauberwelt im Freien. Meist wusste ich schon nach zwei Übungen, was sie von mir wollten und da ich keinen Hunger hatte, hab ich das Angebot Dressur gegen Futter abgelehnt. Natürlich wurde auch die eine oder andere Übung im Haus gemacht und manchmal habe ich ihnen den Gefallen getan und mitgespielt. Da taten sie dann völlig überrascht, was ich alles kann.
Aber im Ernst: Wir Hunde sind ja nicht blöd! Was denken die Menschen eigentlich von uns?
Wollte ich spielen oder mit dem Pfotentuch raufen, gab es eine Zeit lang Käse für Kunststücke. Meine Güte war das doof! Ich bin unbeirrt in meine Stoffhütte gegangen und habe Frauchen und den Übungsaufbau stehen lassen, so war das Problem gelöst. Manipulieren ist eben nicht spielen. Leider wurden meine Raufspiele so auch nicht gespielt.


Damals, als Welpe, war ich oft übermütig, schließlich musste ich diese ganze Welt verarbeiten.
Du warst ein furchtbares Kind oder eine teure kleine Wurst, höre ich heute noch manchmal.
Was das wohl heißt? Richtig zufrieden sehen sie bei den Worten nicht aus. Einmal wurde mir ein großer Zettel mit vielen runden Schnörkeln darauf vor die Nase gehalten. Ganze Teak-Garnituren hätte ich durchgenagt, so sagten sie.
Also, ich war schon traurig, als die Gartenmöbel verschwanden und gegen Plastik ausgetauscht wurden. Auch die auf dem Boden liegenden Kabel sind leider verschwunden. Aber ich habe es verschmerzt, viel nage ich heutzutage eh nicht mehr. Wobei – um die ledernen Hausschuhe war es schon schade, da würde ich gerne noch mal reinbeißen.


Doch zurück zu den Kommandos: Ich habe auf Leckerlis nicht angesprochen und das hat mir einen Haufen Ärger erspart, wenn ich mich heute so umsehe. Natürlich höre ich auf meine Leute, aber ich mache doch nicht die ganze Zeit irgendeinen ausgedachten Schmarrn. Ich weiß noch, als Frauli mal gelesen hat, dass langes Sitzen für uns Hunde nicht gesund ist und dass wir am besten auf Körpersprache reagieren. Seitdem sind fast alle Gehorsamkeitskommandos verschwunden. Das war großartig!
Heute mache ich meist, was ich will. Das lässt mir endlich die Entscheidungsfreiheit, nach der alles in mir schreit. Ich muss einfach springen, rennen, schauen, aufpassen, riechen, hüpfen, kläffen, hierher und dorthin laufen. Und jetzt werde ich dabei nur noch selten gestört. Die beiden beschränken sich auf wichtige oder gefährliche Situationen, wenn ein Traktor kommt oder es donnert. Das Kommandotheater läuft nicht die ganze Zeit und wenn dann ein Signal kommt, folge ich, das ist der Deal. Und mit den normalen Lautkommandos haben wir jetzt Spaß statt Zwang. Die meisten davon habe ich in meinem eigenen Sinn uminterpretiert, so dass ich gut damit lebe:


o.k. – sofortiges Losschießen mit höchster Geschwindigkeit. Vor dem Fressnapf kann es auch bedeuten, dass ich fressen darf.
Fein, braves Mädchen – ich höre sofort auf mit dem, was ich gerade tun soll, wie z. B. zurückkommen, und beschäftige mich mit meinen Vorlieben.
Komm her - die freundliche Bitte zu kommen, wenn ich gerade Zeit habe. Manchmal mache ich das auch aus Zuneigung. Vermutlich ist das eh für vorbeigehende Spaziergänger, nicht für mich.
Schön dableiben – ist neu und bedeutet, ich darf alles tun, was ich will, nur auf keinen Fall losschießen und die Lage einen Kilometer weiter vorne checken.
Bring – rück es nur raus, wenn du Lust dazu hast.
Bleib, Stopp, Warte - irgendwie soll ich dortbleiben, wo ich gerade bin. Wie exakt das sein muss, lässt sich leider nur mit verschiedenen Versuchen von Bewegungen aller Art herausfinden. Überhaupt ist es ja so, dass der eine von den beiden das oft anders haben will als der andere. Natürlich einigen wir uns am Ende auf die Version, die mir am meisten Freiheit bietet.
Nicht bellen – Alarmstufe rot, alle sind furchtbar aufgeregt und ich melde, was immer mir auffällt.
Sammy – einzig ernst zu nehmendes Lautkommando -  heißt, ich muss sofort schauen, was die Gassibegleitung von mir will.
Oh nein – begeistertes Anfeuern, wenn ich endlich den passenden Kuhhaufen zum Wälzen gefunden habe.
Keller – in Verbindung mit vielen anderen Worten wie Bier, oder gehen ... holen, ein Freudenfest. Wir machen eine Expedition nach eine Etage tiefer und dort treffen wir manchmal andere Hausbewohner oder den Kater von oben. Das ist so aufregend!
Rauchen – Etwas, das nur Herrli und ich gemeinsam haben. Wir gehen raus in den Garten und er hält ein warm glühendes Stäbchen in der Hand, während ich einen Stock ins Maul nehme. Dann schaue ich ihn dabei an und er in sein Handy.
Viele von den Worten, die meine Hundeeltern miteinander wechseln, verstehe ich. Deswegen sprechen sie oft mit mir in ganzen Sätzen. Das ist nicht immer einfach, aber meist gelingt es mir, daraus etwas abzulesen. Ansonsten benutzen wir die Körpersprache und da verständigen wir uns prächtig. Ich bin froh, dass sie eingesehen haben, mir ihre Anliegen auf diese Weise und vor allem selten mitzuteilen. So fällt es mir leicht, zu folgen, wenn es sein muss.
Schließlich habe ich mich ja nicht für den Militärdienst beworben!